Offener Brief – Kulturinitiative 21, 17.03.2021

Kulturinitiative 21 für Solo-Selbständige, Freiberufler:innen und Künstler:innen fordert Unterstützung für die, die bisher durchs Raster gefallen sind. [17.03.2021]

Sehr geehrter Herr Finanzminister Olaf Scholz,
Sehr geehrter Herr Minister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil,
Sehr geehrter Herr Minister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier,
Sehr geehrte Frau Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters,
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende von CDU, SPD, FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen,
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Wir, die Kulturinitiative 21, wiederholen unsere tiefe Sorge um die Situation unserer Kolleginnen und Kollegen in Kultur, Medien und Veranstaltungswirtschaft in Deutschland. Dass Bund, Länder und Kommunen Unterstützungsleistungen erarbeitet und unterbreitet haben, wissen und schätzen wir. Auch begrüßen wir die neuen Programme, insbesondere die zusätzliche 1 Mrd. Euro für „Neustart Kultur“, besonders, da von dieser Summe mehr Geld direkt bei den Künstler:innen, Solo-Selbständigen und Freiberufler:innen ankommen soll.

Gleichzeitig aber müssen wir darauf hinweisen, dass in diesen Tagen das zweite Jahr der Pandemie und damit der Maßnahmen beginnt – während nach wie vor ein beträchtlicher Teil der zusehends notleidenden Akteur:innen wenig bis keine Hilfe erhalten hat.

Stipendien, als Projektstipendien oder in ähnlicher Form, können wirtschaftlich und auch künstlerisch hilfreich sein, sollten aber möglichst einfach im Antragsverfahren gehalten sein. Zwingend notwendig ist, sinnvolle Regelungen bezüglich zeitlicher Überschneidungen verschiedener Stipendien- und Hilfsprogramme zu finden und die Anzahl der Stipendien an die Zahlen der Antragsteller der letzten – überzeichneten – Runden anzupassen. Der Beginn des Jahres 2022 sollte zeitlich mit einbezogen werden, da gerade im Kultur- und Veranstaltungsbereich niemand weiß, wie sich bis dahin die Pandemielage samt Schutzmaßnahmen und, als Folge, die Nachfrage des Publikums entwickeln wird.

Wie bereits angedeutet bitten wir Sie nachdrücklich darum, das Augenmerk auf den Personenkreis derer zu richten, die bisher fast immer durch das Raster der Zuwendungen fallen. Das sind die Solo-Selbständigen, Freiberufler:innen und Künstler:innen, die nicht auf der Bühne stehen, sondern dahinter oder davor: Ton-, Bühnen- und Lichttechniker; Agenturen, Veranstaltungsorganisator:innen, Roadies und Crew Members, Masken- und Kostümbildner*innen, Künstlermanager.innen und auch diejenigen im Umfeld der Kinowirtschaft.
Diese sollten bei Einzelförderungen auch berücksichtigt werden, beispielsweise wie im Programm der Initiative Musik nach „dem „Tandem Prinzip“: „Dem im Antrag angegebenen Mitglied der Crew (Tournee oder vor Ort) kann zusätzlich ein Zuschuss von 1.000 EUR gewährt werden.“(aus dem Hilfsprogramm für Künstler:innen).

Wir fordern eine, zunächst vorübergehende, Neuregelung für multidimensional Solo-Selbständige, deren Umsätze nicht zu mindestens aus 51% aus selbständiger Tätigkeit generiert werden. Etliche Solo-Selbständige, Freiberufler:innen und Künstler:innen besitzen fragmentierte Einkommensquellen. Oft sind dies geringfügige Beschäftigungen, oft mehrere nebeneinander, und viele der Genannten arbeiten (spätestens jetzt) auch in Teilzeit, um ihr Auskommen zu erwirtschaften. Ihre Einnahmenquellen sind vielseitig, zeitlich und geographisch selten eingrenzbar – und während dieser Pandemie oft komplett versiegt. Ihr bis dato kluges und branchenspezifisch hochflexibles Wirtschaften mit verschiedenen Standbeinen führt nun vielfach dazu, dass sie keine Anträge bei den verschiedenen Hilfsprogrammen (Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfen) stellen dürfen. Hier müssen Erleichterungen im Sinne der sozialen Gerechtigkeit wie auch eines Bestandsschutzes eingeführt werden. Auch die Programme im Rahmen von Neustart Kultur könnten hier angepasst werden.

Und zum Schluss: Die Unterzeichnenden haben mit großer Sorge zur Kenntnis genommen, dass die Zahlungen der November,- und Dezemberhilfen, sowie der Überbrückungshilfen durch des BMWi vorübergehend gestoppt wurden. Trotz der zahlreichen von der Bundesregierung aufgelegten Prüfmechanismen, die die Auszahlungen der Hilfen seit November verzögern, sind solche Betrugsfälle möglich, was uns sehr verwundert. Antragsteller:innen warten teilweise seit mehreren Monaten auf die angekündigten und schon bewilligten Hilfen. Jede weitere Verzögerung bedroht akut Existenzen. Jeder Monat, jede Woche, jeder Tag zählt. Dass viele bis heute auf ihre Abschläge der Novemberhilfe warten müssen, ist auch ohne diesen Betrug nicht hinnehmbar. Dass ein Missbrauch durch Fake Seiten und falsche Identitäten überhaupt so möglich ist, ist uns unbegreiflich. Diese Erfahrungen wurden bereits bei der Soforthilfe gemacht. Wir fragen uns wieder, warum eine Abwicklung über das Finanzamt mit abgesicherten Zugängen bei den Hilfen noch immer nicht eingerichtet wurde. Diese Forderungen haben viele Verbände und Organisationen aufgestellt und es wird auch in vielen anderen Ländern so gehandhabt. Wir unterstützen dies nachdrücklich.

Angesichts der existenziellen Not, in die viele Kolleg:innen geraten sind, ist es im Übrigen für die Betroffenen weder verständlich noch akzeptabel, dass es auf den Webseiten der zuständigen Regierungsbehörden auch 24 Stunden nach Veröffentlichung dieser Zahlungsstopps durch die Presse noch keine Informationen gab.

Wir fordern eine klare Kommunikation, sowie eine Perspektive für diejenigen Unternehmer:innen und Selbständigen, die durch die Bestimmungen in der Coronakrise in finanzielle Engpässe geraten sind. Natürlich müssen eventuelle Betrugsfälle so schnell und lückenlos wie möglich aufgedeckt und geklärt werden, aber ein Stopp für alle verstärkt hier akute Notsituationen.

Abschließend verweisen wir auf unsere schon vorher formulierten und veröffentlichten Forderungen unter www.kulturinitiative21.de

17.3.2021: Die Initiator:innen und Unterzeichnenden
Rainer Bode, Kulturberater (Münster); Joe Bausch, Schauspieler (Werl); Martin Ehrhardt, Musiker (Leverkusen); Lena Falkenhagen, Autorin (Berlin); Nina George, Schriftstellerin (Berlin); Matthias Hornschuh, Komponist (Köln); Anja Kolacek Regisseurin (Köln); Marc Leßle, Objektkünstler (Köln); Sabine Lipan, Autorin (Bielefeld); Christina Lux, Musikerin (Köln); Matthias Mainz, Musiker (Köln); Lutz von Rosenberg Lipinsky, Kabarettist (Hamburg); Heike Rost, Fotografin (Mainz), Ina Stock, Musikerin (Köln); Noam Zur, Dirigent (Mülheim an der Ruhr).