Kulturinitiative 21 zum Bürgerdialog mit Kulturschaffenden

Und es geht weiter!!!

Kulturinitiative 21 zum Bürgerdialog mit Kulturschaffenden am 27.04.2021

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel,
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble,
Sehr geehrter Herr Finanzminister Olaf Scholz,
Sehr geehrter Herr Minister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil,
Sehr geehrter Herr Minister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier,
Sehr geehrte Frau Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters,
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende von CDU, SPD, FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen,
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Am 27.04.2021 fand ein Bürgerdialog der Bundeskanzlerin mit Kulturschaffenden statt, an dem Christina Lux als Mitglied der Kulturinitiative 21 teilnehmen konnte. Die Bundeskanzlerin sprach darin mehrfach vom Gleichbehandlungsgebot, was die Öffnungen anbelangt. In Bezug auf den Ausgleich der Umsatzeinbrüche der selbstständigen Kulturunternehmer:innen findet das Gleichbehandlungsgebot unserer Ansicht nach jedoch nach wie vor nicht ausreichend Anwendung, vor allem im Vergleich mit der staatlich gestützten Kurzarbeit, die in großem Umfang die Arbeitsplätze in von der Coronakrise betroffenen Unternehmen sichert.

Die Hilfen für Selbstständige passen dabei nur auf einen engen Korridor von selbstständigen Kulturunternehmer:innen mit mittleren Umsatzzahlen. Die Kulturunternehmer:innen unterhalb dieses Korridors haben zu wenig in die Bemessungsgrenze einzubringen, so dass 50 % von wenig auch viel zu wenig Hilfe ergibt. Die Unternehmer*innen mit darüber hinausgehenden Umsätzen hingegen haben so hohe laufende Kosten und personelle Verpflichtungen, dass die Schere aus 60 % notwendiger Umsatzeinbuße und gering gedeckelten Hilfssätzen sie in die Insolvenzen treiben kann.

Unsere Forderungen:

I
Die Fortführung der Neustarthilfe als Kompensationsleistung ab Juli 2021 bis mindestens Ende des Jahres mit an ein Kurzarbeitergeld angeglichenen Sätzen (80 %/87 %). Das von uns bereits im Januar geforderte monatliche Fixum von 1.180 Euro gilt als Minimum der unteren Einkommensgruppe. Für alle Kulturunternehmer:innen mit höheren Umsätzen muss die Kompensation den Umsätzen entsprechend erfolgen. Die Leistungen sollten dabei sowohl für Unternehmerselbstbehalt, Betriebskosten und Investitionskosten/Unternehmensinnovation verwendet werden dürfen.

II
Ausfallfonds und Wirtschaftlichkeitsbonus einsetzen
Bereits Ende letzten Jahres wurde vom BMF ein Ausfallfonds und Wirtschaftlichkeitsbonus angekündigt, mit dem das coronabedingte Ausfallrisiko von Kulturveranstaltungen abgesichert und ein Veranstaltungsbetrieb mit reduzierter Kapazität ermöglicht werden soll. Es müssen auch kleine Veranstalter und Veranstaltungsorte mit einer Kapazität von ca. 100 Plätzen berücksichtigt werden. Beim Ausfallfonds müssen zwingend auch Ausfallhonorare für Künstler:innen mit abgesichert sein.

Zur Neustarthilfe:
Die Zugangshürden für die Neustarthilfe sind mindestens 60 % Einbußen und 51 % rein künstlerische Tätigkeit. Allein deshalb werden viele Betroffene diese Hilfe erst gar nicht beantragen können. Durch den Schwellenwert eines Jahreseinkommens von 35.000 Euro für die maximale Neustarthilfe haben etwa die Hälfte aller Soloselbständigen Kulturunternehmer*innen keinen Zugriff auf die Maximalsumme von 7.500€ für sechs Monate. Auch für die Kulturunternehmer*innen mit hohen Jahresumsätzen sind die 7.500€ Hilfen für sechs Monate bei Licht betrachtet ohnehin nur eine Minimalversorgung, die im Vergleich zu Kurzarbeit eben nicht ausgleicht, sondern notversorgt.

Warum werden hier Unterschiede gemacht?

November- und Dezemberhilfe:
Einzig die November – und Dezemberhilfe kompensierten eingebrochene Einnahmen umsatzorientiert und damit angemessen – allerdings leider mit Zugangshürden bei den Berechtigungen und Ausschlüssen z.B. in der Anrechnung von Auslandseinkünften. Bereits vor deren Beantragung wurde allerdings deutlich gemacht, diese Hilfsform würde keinesfalls ab Januar fortgesetzt. Warum?
An den Schließungen hat sich auch seit Jahresbeginn nichts geändert. Warum wird diese Hilfe nicht weitergeführt? Allerdings fiel auch diese Hilfe für viele Künstlerinnen und Künstler aus, weil sie nicht zu den sogenannten direkt Betroffenen gehörten und als indirekt Betroffenen mindestens 80 % ihrer Einnahmen aus Bühnentätigkeit erbracht haben mussten. Hier wurde es für all die, die zwar im selben Beruf aber in verschiedenen Bereichen das Einkommen sichern, nicht möglich diese Hilfe zu beantragen. (Unterricht und Bühne, Auslandseinnahmen u.ä.)

Zur Grundsicherung:
Grundsicherung ist keine Kompensation und bietet keinen Erhalt eines soloselbstständigen Unternehmens. Sie bedeutet allenfalls den Erhalt eines Existenzminimums. Ein Unternehmen, das auch im künstlerischen Bereich wirtschaftlich aufgestellt ist, braucht weit mehr als Miete, Heizung und Krankenversicherung. (Es geht um Lebensversicherungen, Altersvorsorge, Erhalt laufender Werbekosten, Kredite für das Unternehmen usw.)
Zitat: „Das Musikleben in Deutschland war zu Beginn der Corona-Pandemie nicht von prekären Einkommensverhältnissen geprägt. Es gab solche, aber ein großer Teil der im Musikleben Beschäftigten konnte von den Einnahmen aus den jeweiligen Tätigkeiten leben. Selbstständig Tätige hingegen mussten im ersten Shutdown Umsatzeinbrüche von durchschnittlich etwa 44 % hinnehmen. Von den selbstständig Tätigen gab ein Fünftel der Befragten einen Umsatzausfall von 100 % an. Die schwerpunktmäßig im künstlerischen Bereich Tätigen waren hier besonders betroffen: Sie erlitten Umsatzrückgänge von mehr als 60 %.“ (Aus der Eiszeit Studie des Musikrates, die gerade erschienen ist.)

Was wir brauchen:
Eine Kompensation und keine Notversorgung, um unsere Unternehmen mit all ihren laufenden Kosten zu erhalten und der Möglichkeit auch weiter investieren zu können. Und die Anerkennung dessen, dass es hier nicht um Förderung geht, sondern um den Erhalt von Unternehmen und einen Ausgleich für die verlorenen Einnahmen. Zu bemerken ist auch, dass jeder dieser Soloselbstständigen auch weitere Arbeit generiert. Die Hilfen sollten über das Finanzamt auch ohne Steuerberater beantragt werden können, da sich dies als deutlich sicherer herausgestellt hat.

Wie soll es konkret ab Juli weitergehen?
Es zeichnet sich bisher keine wirkliche Perspektive für Veranstaltungen ab, bei der man auch nur annähernd wieder mit den ursprünglichen Zuschauerzahlen rechnen könnte. Viele Aufführungen werden nicht rentabel sein, weder für den Veranstalter noch für den oder die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne. Die Krise wird in unserem Bereich sehr lange nachwirken, bis mindestens 2023 ist mit heftigem Überangebot zu rechnen, da zu den geplanten Veranstaltungen noch Verschiebungen kommen. Neuplanung ist kaum möglich.

Wir erwarten, dass die Politik umgehend auf die aktuelle Lage reagiert.

Abschließend verweisen wir auf unsere schon vorher formulierten und veröffentlichten Forderungen unter www.kulturinitiative21.de

Mit freundlichen Grüßen
Die Kulturinitiative 21 am 6.5.2021.

Die Initiator:innen und Unterzeichnenden Christina Lux, Musikerin (Köln); Rainer Bode, Kulturberater (Münster); Joe Bausch, Schauspieler (Werl); Martin Ehrhardt, Musiker (Leverkusen); Lena Falkenhagen, Autorin (Berlin); Nina George, Schriftstellerin (Berlin); Matthias Hornschuh, Komponist (Köln); Anja Kolacek Regisseurin (Köln); Marc Leßle, Objektkünstler (Köln); Sabine Lipan, Autorin (Bielefeld); Christina Lux, Musikerin (Köln); Matthias Mainz, Musiker (Köln); Lutz von Rosenberg Lipinsky, Kabarettist (Hamburg); Heike Rost, Fotografin (Mainz), Ina Stock, Musikerin (Köln); Noam Zur, Dirigent (Mülheim an der Ruhr).

Ergänzung
Laut den Angaben des Büros für Kulturwirtschaftsforschung, Köln zeigen sich folgende Einkommensgruppen in der Gruppe der Künstler & Kulturberufe bestehend aus der Wirtschaftsgruppe WZ-Nr. 90, Kreative, künstlerische u. unterhaltende Tätigkeiten, Wirtschaftszweigklassifikation. Dazu zählen schwerpunktmäßig künstlerische, publizistische und kulturellen Berufsgruppen, wie u.a. die selbständigen Komponist:innen, Musikbearbeiter*innen, Schriftsteller:innen, bildende Künstler:innen, Restaurator:innen sowie die Journalist:innen usw. Damit sind jedoch noch nicht alle künstlerischen, kulturellen und kreativen Berufe erfasst, z. B. Berufe des Designs, der Fotografie der Filmherstellung, des Kulturhandels u.a.

 

Zur Information:
Selbständige und Unternehmen ab 17.500 €****
60.312 9.257 153.486 €

Quelle: Umsatzsteuerstatistik Voranmeldung und Veranlagung, Statistisches Bundesamt; eigene Berechnung Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln, Mai 2021
*Der Umsatz versteht sich ohne Umsatzsteuer.

Diesen Brief gibt es hier als PDF zum Download.